Themen

Istanbul Konvention
Eine Frau sitzt in einer Zimmerecke und versteckt sich
Häusliche Gewalt - Eine Hand zerquetscht ein Haus

Die Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Istanbul-Konvention wurde am 11. Mai 2011 auf einer Konferenz des Europarats in Istanbul (Türkei) beschlossen, daher kommt der Name. Die Konvention ist am 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft getreten. Seitdem ist die Konvention als Bundesgesetz anerkannt. Die Istanbul-Konvention verpflichtet daher Bund, Bundesländer und Kommunen zur Anpassung des Hilfe- und Unterstützungssystems und Schließung von Versorgungslücken.

Die vier Eckpfeiler der Istanbul-Konvention

Gewaltprävention

Opferschutz

Strafverfolgung

Interdiziplinäre Zusammenarbeit

Zweck der Istanbul-Konvention

Zweck des Übereinkommens ist, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen zu leisten und eine echte Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern (Art. 1 Nr. 1 IK). Das Ziel der Konvention ist, das grundlegende Menschenrecht der Frauen auf ein gewaltfreies Leben zu gewährleisten.

Der Geltungsbereich der Konvention umfasst alle Formen der Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, unter der Frauen unverhältnismäßig stark zu leiden haben. Die Istanbul-Konvention fokussiert die strukturellen Ursachen von Gewalt gegen Frauen. Sie zeigt auf: Gewalt gegen Frauen ist Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen und wird dazu genutzt, die strukturelle Benachteiligung von Frauen und damit die Ungleichheit der Geschlechter aufrechtzuerhalten.

Inhalte der Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention legt inhaltlich fest, dass jegliche Form von Gewalt gegen Frauen eine Menschenrechtsverletzung ist. Die 81 Artikel der Istanbul-Konvention enthalten umfassende Verpflichtungen zu den Bereichen Prävention, zum Schutz der Betroffenen, zur Bestrafung der Täter*innen und zur behördenübergreifenden Zusammenarbeit.

Umsetzung und Durchsetzung der Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der mit einem eigenen Überwachungsmechanismus zur Umsetzung ausgestattet ist. Die Umsetzung wird durch die unabhängige Expert*innengruppe GREVIO (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) alle fünf Jahre überprüft.

Für Deutschland ist im Jahr 2020 ein Evaluierungsverfahren eingeleitet worden. Die GREVIO forderte hierzu von der Bunderepublik einen Staatenbericht an, sammelte weitere Informationen u.a. durch einen durch das bundesweite Bündnis Istanbul-Konvention (BIK) verfassten Alternativbericht und machte sich in einem Länderbesuch einen Eindruck vor Ort. In einem Abschlussbericht wurden diese Informationen gebündelt, bewertet und veröffentlicht.

Insgesamt stellt GREVIO Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus und fordert Deutschland dazu auf, angemessene finanziellen Ressourcen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie die notwendige Infrastruktur zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen und Mädchen bereitzustellen.

Materiellrechtliche Definitionen geschlechtsspezifischer Gewalt in der Istanbul-Konvention

Die Istanbul-Konvention enthält viele Grundsätze, die im deutschen Recht bereits verankert sind. Das Wirksamwerden dieser Grundsätze für gewaltbetroffene Frauen ist wiederum abhängig von der praktischen Umsetzung. In der Konvention sind zahlreiche Formen geschlechtsspezifischer Gewalt benannt, die strafrechtlich bindend sind und verfolgt werden müssen.

Auszüge aus der Istanbul-Konvention

Häusliche Gewalt: Artikel 3b

„Der Begriff ‚häusliche Gewalt‘ [bezeichnet] alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte.“

Psychische Gewalt: Artikel 33

„Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das die psychische Unversehrtheit einer Person durch Nötigung oder Drohung ernsthaft beeinträchtigt wird, unter Strafe gestellt wird.“

Nachstellung: Artikel 34

„Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, das aus wiederholten Bedrohungen gegenüber einer anderen Person besteht, die dazu führen, dass diese um ihre Sicherheit fürchtet, unter Strafe gestellt wird.“

Körperliche Gewalt: Artikel 35

„Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das einer anderen Person körperliche Gewalt angetan wird, unter Strafe gestellt wird.“

Sexuelle Gewalt einschließlich Vergewaltigung: Artikel 36

1 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maß-nahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird:
a) nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales, anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person mit einem Körperteil oder Gegenstand;
b) sonstige nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen mit einer anderen Person;
c) Veranlassung einer Person zur Durchführung nicht einverständlicher sexuell bestimmter Handlungen mit einer dritten Person.

Zwangsheirat: Artikel 37

1 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das eine erwachsene Person oder ein Kind zur Eheschließung gezwungen wird, unter Strafe gestellt wird.
2 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird, durch das eine erwachsene Person oder ein Kind in das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei oder eines Staates gelockt wird, das nicht das Hoheitsgebiet ihres beziehungsweise seines Aufenthalts ist, um diese erwachsene Person oder dieses Kind zur Eheschließung zu zwingen.

Verstümmelung weiblicher Genitalien: Artikel 38

Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird:
a) Entfernung, Infibulation oder Durchführung jeder sonstigen Verstümmelung der gesamten großen oder kleinen Schamlippen oder Klitoris einer Frau oder eines Teiles davon;
b) ein Verhalten, durch das eine Frau dazu genötigt oder gebracht wird, sich einer der
unter Buchstabe a aufgeführten Handlungen zu unterziehen;
c) ein Verhalten, durch das ein Mädchen dazu verleitet, genötigt oder dazu gebracht wird, sich einer der unter Buchstabe a aufgeführten Handlungen zu unterziehen.

Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung: Artikel 39

Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maß-nahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird:
a) Durchführung einer Abtreibung an einer Frau ohne deren vorherige Zustimmung nach erfolgter Aufklärung;
b) Durchführung eines chirurgischen Eingriffs mit dem Zweck oder der Folge, dass die Fähigkeit einer Frau zur natürlichen Fortpflanzung ohne deren auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung zu dem Verfahren oder Verständnis dafür beendet wird.

Sexuelle Belästigung: Artikel 40

Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass jede Form von ungewolltem sexuell bestimmtem verbalem, nonverbalem oder körperlichem Verhalten mit dem Zweck oder der Folge, die Würde einer Person zu verletzen, insbesondere wenn dadurch ein Umfeld der Einschüchterung, Feindseligkeit, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung geschaffen wird, strafrechtlichen oder sonstigen rechtlichen Sanktionen unterliegt.

Beihilfe, Anstiftung und Versuch: Artikel 41

1 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Beihilfe oder Anstiftung zur Begehung einer der nach den Artikeln 33, 34, 35, 36, 37, 38 Buchstabe a und 39 umschriebenen Straftaten, wenn vorsätzlich begangen, als Straftat zu umschreiben.
2 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um den Versuch der Begehung einer der nach den Artikeln 35, 36, 37, 38 Buchstabe a und 39 umschriebenen Straftaten, wenn vorsätzlich begangen, als Straftat zu umschreiben.

Inakzeptable Rechtfertigungen für Straftaten, einschließlich der im Namen der sogenannten „Ehre“ begangenen Straftaten: Artikel 42

1 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Strafverfahren, die in Folge der Begehung einer der in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten eingeleitet werden, Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für solche Handlungen angesehen werden. Dies bezieht sich insbesondere auf Behauptungen, das Opfer habe kulturelle, religiöse, soziale oder traditionelle Normen oder Bräuche bezüglich des angemessenen Verhaltens verletzt.
2 Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Verleiten eines Kindes durch eine Person, eine der in Absatz 1 genannten Handlungen zu begehen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit dieser Person für die begangenen Handlungen nicht mindert.

Eine Hand zerquetscht den Kopf einer Barbie

Gewalt gegen Frauen

Der Begriff geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen bezeichnet eine Gewalt, „die gegen eine Frau gerichtet ist, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft“ (Istanbul-Konvention Art. 3d). Diese Form der Gewalt ist Ausdruck der Ungleich-behandlung von Frauen, diskriminierender und sexistischer Gesellschaftsstrukturen sowie von Machtmissbrauch. Der Begriff verdeutlicht, dass gesellschaftliche Strukturen dafür verantwortlich sind, dass gegenüber Frauen und Mädchen bestimmte Formen von Gewalt ausgeübt werden. Hierzu gehören alle Gewalthandlungen, durch die Frauen körperliches, sexuelles oder psychisches Leid erfahren oder wirtschaftlich Schaden nehmen. Auch die Androhung von Gewalt, Nötigung und Freiheitsentzug zählen genauso dazu wie Zwangsheirat und Stalking – und zwar ganz gleich ob im öffentlichen Raum oder im „Privaten“.

Häusliche Gewalt

Die Istanbul-Konvention enthält in Art. 3b eine Definition für „Häusliche Gewalt“, die mit der Ratifizierung der Konvention bindend geworden ist:

„Der Begriff ‚häusliche Gewalt‘ [bezeichnet] alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte.“

Diese Definition von häuslicher Gewalt ist sowohl im Kontext von Polizei und Strafverfolgungsinstitutio-nen wie Staatsanwaltschaften und (Straf- und Familien-) Gerichten als auch im Bereich der Frauenunterstützungsinfrastruktur bindend. Über die Partnergewalt hinaus umfasst diese Definition auch Erziehungsgewalt und Gewalt von Kindern gegenüber ihren Eltern.

Gewaltschutzgesetz

Mit dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) wurden im Jahr 2002 zentrale rechtliche Vorschriften zur Bekämpfung von Gewalt im Allgemeinen und häuslicher Gewalt im Besonderen geschaffen. Insbesondere der Grundsatz „Wer schlägt, der geht“ ist im Gewaltschutzgesetz verankert. Denn das GewSchG ermöglicht den Familiengerichten, gegen gewalttätige oder gewaltbereite Mitbewohner eine zeitlich befristete Wohnungsausweisung (i.d.R. 10 Tage) im Eilverfahren zu verhängen. Das Gesetz bietet aber auch die Möglichkeit, die Unterlassung von Belästigungen und Nachstellungen über Fernkommunikationsmittel (z.B. Brief- und Telefonterror) anzuordnen.

§ 34a Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW)

Auch das mit dem Gewaltschutzgesetz in Kraft getretene Polizeigesetz § 34 a sieht es als eine Aufgabe der Polizei an, Gewaltbetroffene über für diese Aufgabe qualifizierte Beratungseinrichtungen zu informieren und mit ihrem Einverständnis die Kontaktdaten an diese zu übermitteln.